Sind die Schüler an den Saar-Gemeinschaftsschulen wirklich so schlecht?

Saarbrücken: Die Zukunft der Gemeinschaftsschulen im Saarland sorgt derzeit für eine lebhafte Debatte. Im Zentrum der Diskussion steht die neue Gemeinschaftsschulverordnung im Saarland. Während die Saar-Grünen erhebliche Mängel in der Leistungsqualität und Struktur kritisieren, lobt die Arbeitskammer des Saarlandes die neuen Regelungen als Fortschritt für individuelle Förderung und schulische Flexibilität.

Die Saar-Grünen betrachten die Gemeinschaftsschule im Saarland als schulische Problemzone. Sie führen den deutlichen Rückgang der Schülerleistungen, das Ausbleiben notwendiger Maßnahmen seitens des Bildungsministeriums und die unzureichende Gestaltung der Abschlussprüfungen als zentrale Kritikpunkte an. Grünen-Landeschef Volker Morbe sieht die Situation besonders kritisch, da viele Schüler trotz schwacher Leistungen Abschlusszeugnisse erhalten würden, deren Niveau nicht mit den Vorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK) übereinstimme. Die Gemeinschaftsschule sei zwar darauf ausgelegt, allen Schülern den Erwerb der von der KMK definierten Fachkompetenzen zu ermöglichen, jedoch brächten 30 bis 40 Prozent der in Klasse 5 aufgenommenen Schüler bereits aus der Grundschule erhebliche Defizite in den grundlegenden Bereichen Lesen, Schreiben und Mathematik mit, wodurch ein hoher Förderbedarf entstehe.

Morbe verweist zudem auf die IQB-Bildungstrends, die zeigen würden, dass die Mehrheit der Gemeinschaftsschüler in den Kernfächern Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch weder die Regel- noch die Mindeststandards erreiche. Dennoch habe ein Großteil der Schüler im Jahr 2024 einen Mittleren Bildungsabschluss erhalten, der laut KMK eigentlich die Erfüllung dieser Standards widerspiegeln solle. Die Grünen sehen darin eine signifikante Diskrepanz zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den tatsächlich vergebenen Abschlüssen. Auch Jeanne Dillschneider, ebenfalls Teil der Parteiführung, äußert scharfe Kritik an den ab 2025 geplanten Prüfungsformaten. Diese seien weder inhaltlich noch zeitlich angemessen und könnten die Akzeptanz der Abschlusszeugnisse bei weiterführenden Institutionen und Arbeitgebern zusätzlich schwächen.

Dem gegenüber begrüßt die Arbeitskammer die neue Gemeinschaftsschulverordnung. Sie biete Schulen mehr organisatorische Freiheit, um individuelle Förderungen bedarfsorientiert umzusetzen. Besondere Vorteile sieht Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer, in der flexibleren Stundentafel und der erweiterten Beruflichen Orientierung, die Schüler besser auf das Berufsleben vorbereiten sollen. Beide Seiten stimmen überein, dass eine bessere Ressourcenausstattung entscheidend ist. Während die Grünen auf leistungsorientierte Steuerung und datenbasierte Fördermaßnahmen drängen, fordert die Arbeitskammer eine ausreichende Unterstützung für die Umsetzung der Verordnung, etwa durch externe Expertise und multiprofessionelle Teams. Die Kontroverse verdeutlicht, dass die Zukunft der Gemeinschaftsschulen im Saarland ein sensibles Thema bleibt. Zwischen Reformen und Kritik stehen sowohl die Schüler als auch deren Perspektiven auf einen erfolgreichen Abschluss und Berufseinstieg im Mittelpunkt.

Dieser Beitrag wird bereitgestellt vom Medienverbund Saarland