Saarbrücken: Der Mann, der da gestern am Landgericht auf der Anklagebank sitzt, ist für die Justiz kein Unbekannter. Martin R. (58) war 2004 Hauptangeklagter im Prozess um den verschwundenen Pascal Zimmer. Verurteilt wurde er nie, stattdessen 2007 wie alle anderen Angeklagten freigesprochen.
Doch er blieb nicht lange in Freiheit: 2009 erstach er einen Nachbarn mit einem Küchenmesser, was ihm eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen Totschlags einbrachte. Nach der Entlassung dauerte es wieder nicht lange, bis R. nochmals hinter Gitter kam: 2016 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung weggesperrt. Nach Verbüßung der Haft kam der 58-Jährige im vergangenen Jahr wieder auf freien Fuß. Nur, um schon nach wenigen Monaten abermals aufzufallen: Am 25. Mai wird er mittags in der Johannisstraße mit Drogen erwischt. Für den Amphetamin-Besitz verurteilt ihn das Amtsgericht Saarbrücken daraufhin zu einer Geldstrafe.
Zu mild in den Augen der Staatsanwaltschaft, die mit Blick auf die lange kriminelle Vergangenheit des Angeklagten drei Monate Gefängnis ohne Bewährung gefordert hatte. Die Behörde geht in Berufung, gestern wird der Fall schließlich am Landgericht verhandelt. Der Angeklagte ringt immer wieder um Luft, muss dauernd seinen Mundschutz kurz anheben. „Nach meinem letzten Gefängnisaufenthalt wurde eine schwere Krankheit bei mir diagnostiziert.“ Der Saarbrücker leidet unter der unheilbaren Erkrankung COPD, besser bekannt als Raucherlunge.
Der Saarbrücker: „Eigentlich sollte ich deshalb schon im Krankenhaus liegen. Aber ich wollte unbedingt den Gerichtstermin hinter mich bringen, habe die Behandlung dafür verschoben.“ R. beteuert, seit dem Vorfall im Mai 2020 keine Drogen mehr zu nehmen. Auch die damals bei ihm gefundene geringe Menge sei nur für seinen Bedarf bestimmt gewesen. Seine Bewährungshelferin stellt ihm eine positive Prognose aus: R. hat sich eine Wohnung gesucht, kommt mit seinen Hartz-IV-Leistungen zurecht. „Arbeiten kann ich nicht mehr“, sagt er mit Blick auf seine Krankheit. Schließlich hat auch der Staatsanwalt ein Einsehen, zieht „ausnahmsweise“ die Berufung mit Blick auf Gesundheitszustand und positiver Sozialprognose zurück. Die Landeskasse übernimmt die Verfahrenskosten. Richter Haldor Klos abschließend: „Sauber bleiben! Beim nächsten Mal läuft das nicht mehr so!“