Saarbrücken: Die immer kälter werdenden Tage haben im Saarland ein Todesopfer gefordert. Das berichtet die Obdachlosen-Hilfsorganisation „Ingos kleine Kältehilfe“ am heutigen Donnerstagabend. In einer ergreifenden Botschaft schreiben die Helfer: „In der Obdachlosenhilfe tätig zu sein bedeutet auch, mitunter mit Tod und Sterben konfrontiert zu werden. Mit tiefer Betroffenheit mussten wir nun erfahren, dass unser lieber Wolfgang H., den wir schon seit einigen Wochen vermisst haben, gestorben ist. Er wurde in einem Saarbrücker Parkhaus erfroren gefunden.
Wolfgang war schon seit Beginn an bei uns regelmäßiger und geschätzter Gast bei der täglichen Essensausgabe der Kältehilfe und bei unseren Helferinnen und Helfern sehr beliebt. Mit seiner stets fröhlichen, höflichen und humorvollen Art – immer einen flotten Spruch auf den Lippen – zurückhaltend, bescheiden und zuvorkommend, wird er uns allen in bester Erinnerung bleiben. Sein verschmitzter Blick und seine Lachfältchen waren neben seinem weißen Rauschebart sein Markenzeichen.
Es fiel nicht schwer, ihn zu mögen, denn er brachte mit seinem Humor gerne immer alle zum Lachen. Seinen Kaffee mochte er schwarz, mit zwei Stück Zucker. Wenn man ihm Gemüse oder Salat anbot, war sein Lieblingsspruch: ‚Ich bin doch kein Karnickel‘ – dabei lachte er immer vergnügt. Unsere Helferinnen begrüßte er stets mit einem Kompliment. ‚Hallo, meine Schöne’ hieß es bei ihm oder ‚Wie geht’s dir, Liebelein?‘
Wolfgang hat sich auch um andere gekümmert und war immer hilfsbereit. So ist im Laufe der Jahre ein richtig freundschaftliches Verhältnis entstanden. Nun ist Wolfgang im Alter von nur 67 Jahren gestorben und wir sind sehr sehr traurig. Wie so viele, die auf der Straße leben, hatte er keine Lobby. Wir möchten ihm zum Abschied ein Gesicht und eine Stimme geben.
Lieber Wolfgang, du fehlst uns sehr. Du warst ein Saarbrücker Unikat – gehörtest zu uns! Du bist und bleibst etwas Besonderes. Hoffentlich bist du jetzt an einem besseren Ort. In unseren Köpfen und Herzen wirst du immer deinen Platz haben, warm und geborgen.“ Nach zahlreichen Reaktionen auf den Beitrag schreibt die Hilfsorganisation: „Für diejenigen, die nun schon in ihren Kommentaren auf die schlimmen Verhältnisse in Deutschland hinweisen und die ‚Schuld‘ daran zum Beispiel Geflüchteten zuschieben wollen: Ja, es wäre schön, wenn sich in Deutschland etwas ändern würde und die Politik sich wieder mehr den Menschen als der Wirtschaft widmen würde.
Soziale Gerechtigkeit für alle bedürftige Menschen, gleich welcher Herkunft, welchen Glaubens, welcher Hautfarbe, welchen Geschlechts – das wäre der richtige Weg! Dafür kämpfen wir und viele andere Organisationen. Und: Viele Menschen tun etwas, ehrenamtlich, freiwillig und engagiert! Sehr viele – und wir freuen uns über jeden weiteren Unterstützer. Hilf mit und tu etwas, anstatt zu lamentieren! Engagiere dich! Es stehen viele Türen offen – in Saarbrücken und überall! Es gibt warme Schlaf- und Übernachtungsmöglichkeiten, wie das Notschlafhaus der Awo, den Kältebus oder das Bruder-Konrad-Haus, die Wolfgang auch kannte…
Dort sind Menschen, die anpacken und handeln statt zu schimpfen oder zu hetzen – nur so können wir etwas erreichen. Wir respektieren, dass es Menschen gibt, die es vorziehen, auf der Straße zu leben. Viele haben Schwierigkeiten, sich in ein Leben zu fügen, das die meisten von uns als ‚normal‘ empfinden. Sind überfordert mit Bürokratie, haben vielleicht Suchtprobleme oder andere Schwierigkeiten.
Wir kennen die Hintergründe nicht, hinterfragen auch niemanden. Jeder einzelne hat seine Gründe. Wir respektieren sie als Menschen, so wie sie sind. Ausnahmslos! Wir vermuten, dass Wolfgang nicht allein wegen der Kälte gestorben ist, aber wir werden es wohl nie erfahren.“